Ins Leben tragen bedeutet nicht durch das Leben tragen

Die tiefen Gefühle, die ich mit dem Tragen meines Sohnes im Jahr 2000 im Tragetuch verbunden habe, halten bis heute an.

 

Das Tragen war für uns beide eine tiefgründige Erfahrung und ein Teil der Basis für eine tragfähige Eltern-Kind-Beziehung.

Damals hat es mich so inspiriert, dass ich das Thema auch anderen Eltern noch mehr zugänglich machen wollte.

 

So habe ich im Rahmen meiner damaligen Fachweiterbildung intensiv zu diesem Thema recherchiert, geübt und entwickelt. Heute ist das Tragen eines Babys in Tuch oder in einer Tragehilfe fast selbstverständlich und doch sehe ich noch Varianten, bei denen ich denke, dass man sie zugunsten der kindlichen Hüfte und des elterlichen Rückens noch optimieren könnte.

Für die Entwicklung der Kinder hat das Tragen viele Vorteile, so wird z.B. der Gleichgewichtssinn geschult und auch die Tiefensensibilität optimal angesprochen. Gut gebunden zu sein kann man auch wörtlich nehmen, denn auch für den Bindungsprozess ist Tragen tragfähig.

Es gibt jedoch auch Situationen, von denen ich denke, dass sie sich in den letzten Jahren nicht nur zugunsten der Kinder entwickelt haben. Zum einen ist es das kontinuierliche Schaukeln in einer automatisierten Federwiege, welches wenig mit dem abwechslungsreichen und von Pausen unterbrochenen Schaukeln im Tuch tragender Eltern gemeinsam hat. Diese permanente „Beschaukelung“ ist von der Natur so nicht vorgesehen und unterstützt die Kinder nur wenig darin, zu entdecken, wie man sich auch mal alleine beruhigen und beschäftigen kann.

 

Zum anderen sehe ich auch immer mehr das Tragen von Kindern, die aus der Entwicklungsphase eines „Traglings“ herausgewachsen sind. Darauf möchte ich hier noch mal näher eingehen.

 

Zum einen sehe ich Kinder, deren Proportionen in der Tragehilfe nicht mehr zum Körperbau der Eltern passen, das bedeutet, sie sind schon sehr groß und schwer und fordern unbewusst den Eltern eine körperliche Herausforderung ab, die auf Dauer nicht gesund sein kann. Zum anderen sehe ich Krabbelkinder, die auf dem kurzen Weg zur Haustür von den Eltern getragen werden, obwohl sie einfach hinterher krabbeln könnten. Ich sehe Vorschulkinder, die immer noch auf der Hüfte der Eltern getragen werden, obwohl sie eine angemessene Strecke auch einfach laufen könnten.


Ich frage mich, woran das liegt und welche Botschaft bei einem Kind ankommt, wenn es selbst beim Laufen noch „entlastet“ wird. Vielleicht liegt das unnötige Tragen für kurze Strecken daran, dass Eltern sich nicht die Zeit nehmen (können), um dem Kind klarzumachen, dass sie z.B. nur zur Haustür gehen und dass das Kind gerne hinterherkommen kann. Interagiert man zu schnell mit einem Kind, versteht es die Situation nicht und dann fängt es an zu weinen.

Mit Langsamkeit kann man Ziele meiner Erfahrung nach, allerdings deutlich früher erreichen.

Kinder brauchen Bewegung, und dazu gehört nun mal auch laufen, damit die Knochen und Muskeln stark werden können. Nur durch körperliche Belastung im Zusammenspiel mit gesunder Ernährung und Tageslicht wird das Knochenwachstum und das Erreichen einer angemessenen Knochendichte angeregt.
Und Kinder brauchen kleine Krisen und Situationen, in denen sie sich überwinden und fordern müssen, an denen sie reifen können und in denen sie die Erfahrung machen dürfen, dass ihre Eltern sie darin aushalten und begleiten können.

Ich selber erinnere mich noch an einige Situationen meiner Kindheit, in den ich nicht mitlaufen wollte und in denen es dann doch besonders schöne und bis heute in Erinnerung gebliebene Erlebnisse gab. Eine nachhaltige Erfahrung von damals ist für mich, wenn man sich selbst überwindet, fühlt es sich danach richtig gut an. Das nennt man heute selbstwirksam handeln. Selbstwirksam handeln zu können, macht die Psyche stark für das Leben, denn man lernt, sich etwas zuzutrauen. Die Fähigkeit erworben zu haben, selbstwirksam handeln zu können, ist wichtig, um einschneidende Erlebnisse im Leben bewältigen und verarbeiten zu können.

 

Welche 8 Punkte zum Thema Tagen sind mir besonders wichtig?

 

1. Sitz der Tragehilfe oder Tragetuch kontrollieren in Bezug zum Körperschwerpunkt des Kindes.
Fragt Euch, fühlt sich das Kind beim Tragen leicht an.

2. Sichere Positionierung der Tragehilfe oder Tragetuch kontrollieren. Auflage auf der Hüfte und Verschluss im Rücken unter und zwischen den Schulterblättern.

3. Trageposition des Kindes kontrollieren, wichtig in Anhock-Spreiz-Haltung,. Der Rücken des Kindes muss dabei gut gestützt sein, so dass der Kopf des Kindes nicht abknicken kann. .

4. Finaler Sicherheits-Check: Abstand Kopf Kind zu meinem Kopf. Stolpertest ohne Kind, dass ich mit meinem Kinn nicht auf den Kopf des Kindes aufschlage.

Dies zeige ich gerne auf Wunsch auch in meinen Erste-Hilfe-Kursen oder in meinem Kurzkurs Tragen.

5. Finaler Sitztest, hier geht es diesmal darum, könnt Ihr Euch problemlos mit dem gebundenen Kind hinsetzen.

6. Kleidung des Kindes kontrollieren. Vorn knöpfbare Strickjacke zum Wärmen des Rückens, Beine warm anziehen.
7. Immer wieder Kurztest, ob alles noch in Ordnung ist, das Kind nicht zu weit in die Tragehilfe oder Tragetuch rutscht oder herausrutscht und der Rücken des Kindes gut gestützt wird.

8. Sonstige Verletzungsgefahren für Eure Kinder vermeiden, wie z.B. keine heißen Getränke für Euch selbst, solange das Kind noch getragen wird.


Wenn Ihr Eure Babys mit dem Tragen begleiten möchtet, stehe ich Euch gerne mit einer persönlichen Beratung mit Rat und Tat zur Seite. Und wenn Ihr stark darin werden möchtet, Eure Kinder zu fordern und zu fördern, empfehle ich Euch gerne meine Kurse „Trotzen“ und "Mein Kind ist krank - Kranke Kinder natürlich behandeln und begleiten". Wenn Ihr Hebamme, Kinderkrankenschwester, Tagesmutter seid und erfahren möchtet, wie Ihr Eltern nach der Geburt, optimal begleiten könnt, empfehle ich Euch den Workshop: „Was braucht ein Frühgeborenes nach der Entlassung?“

 

Das Thema „Eltern-Kind-Bindung“ wird durch all meine Kurse und Veranstaltungen „getragen“ und ist mein Antrieb für die Mitgestaltung eines tragfähigen Miteinanders.

 

 

Schaut gerne auch in meinem Blogbeitrag Bindung ist ein Lebensband, hier ein Auszug mit den für mich wichtigsten Interaktionen im Bindungsprozess:

 

5 Interaktionen, die den Bindungsprozess beeinträchtigen:
1. Ein Kind ohne Trösten allein schreien zu lassen.

2. Pflegerische Interaktionen, u.a. Wickeln, Ankleiden, Ernähren, als Pflichtprogramm abzuhaken, ohne gemeinsame „Sternstunden“.
3. Ablenken mit Handy oder Fernseher vor dem 4. Lebensjahr.
4. Fehlende Zweisam- oder Dreisamkeit mit Berührungen für das Baby.

5. Langanhaltende Müdigkeit und Erschöpfung auf beiden Seiten.


5 Interaktionen, die positiv für den Bindungsprozess sind:
1. Eine signalorientierte Babymassage im richtigen Moment.
2. Ein zeitweises Tragen.
3. Singen, Schaukeln, Spielen und Fingerspiele.
4. Eine Fahrtrichtung im Kinderwagen, mit Blick auf die Eltern.
5. Ein gewisses Vertrauen in die Fähigkeiten der Kinder.

Gerne unterstütze ich beratend in Euren Alltagssituationen, um eine gute Basis für einen gelungenen Bindungsprozess zu schaffen. Als Kurse zum Thema Bindung eigenen sich insbesondere die Kurse „Babymassage & Babysignale“ sowie der Kurs „Wochenbett - Die ersten 10 Tage mit dem Neugeborenen“.

 

Weitere spannende Tipps und Anregungen erhaltet Ihr in meinem Blogbeitrag: Spiegelneuronen und in vielen weiteren Blogbeiträgen. Individuelle Fragen beantworte ich gerne in meinen Beratungen und in meinen Kursen für Eltern.

 

Herzliche Grüße und viele inspirierende Momente mit den Kindern,
Margit Holtschlag

 

 

© Margit Holtschlag 2023